Am 5.3.2020 reisten wir unter dem inzwischen lange eingeführten Namen „Schachfreunde Leipzig“ zur Senioren-Mannschafts-WM nach Prag. Unsere Vorfreude war groß, Prag als Stadt sehr schön und ein mit 51 Mannschaften gut gefülltes Ü65-Turnier versprach tolle Tage. Die Aufstellung war Friedbert Prüfer, Friedemann Brock, Manfred Schöneberg und Günther Heinsohn in der Brettreihenfolge. Der Startranglistenplatz war 12, also ein einstelliger Tabellenplatz ein ambitioniertes Ziel, insbesondere bei Betrachtung der Gegnerschaft.

Die erste Überraschung war das technische Meeting. Die Anti-Cheating Regeln der FIDE wurden konsequent umgesetzt. Also keinerlei verbaler Kontakt zwischen den Spielern, höchstens mit dem Kapitän im Beisein eines Schiedsrichters. Jeder Spieler, der die Partie beendet hatte, musste das Turnierareal sofort verlassen (nur dem Kapitän war es gestattet bis zur letzten Partie zu bleiben).

Dazu noch eine Reihe weiterer Beschränkungen, z.B das Verbot eine Armbanduhr zu tragen. Für mich und sehr viele andere Teilnehmer total überzogene Regeln für Senioren. Die FIDE sollte für das Seniorenschach abgeschwächte Anti-Cheating Regeln formulieren, da hier auch der soziale Aspekt des Spiels stärker beachtet werden muss.

Dafür (anfangs) ein sehr schöner und geräumiger Spielsaal. Ich hatte wohl noch nie so viel Platz am Schachbrett um mich herum.

Unser erster Gegner waren die Golden Oldies aus Norwegen. Elomäßig waren wir klar favorisiert. Aber eine 1. Runde ist meist etwas problematisch und so auch diesmal. Manfred remisierte schnell, während wir anderen uns schwer taten. Dann gewannen aber Günther sowie Friedemann und ich konnte mein eigentlich total ausgeglichenes Endspiel auch noch gewinnen. Ein gelungener Start, wenigstens vom Resultat her.

In der 2. Runde war uns das Losglück hold. Wir erhielten Ireland zum Gegner, die elomäßig schwächste Mannschaft, die noch dazu nur zu dritt spielte. Auch hier waren ein paar unklare Momente dabei, aber als Manfred sicher gewann, wollte Friedemann nicht nachstehen und auch mir gelang es, meine Partie nach einer kurzzeitigen Verluststellung noch zu gewinnen. Also 7,5 Punkte aus den ersten beiden Runden, was will man mehr.

Danach kam die dänische Mannschaft Norresundby an unsere Bretter. Wieder waren wir an allen Brettern elomäßig favorisiert. Diesmal lief es aber nicht gut. Brett 2 bis 4 machten relativ schnell Remis in gleichen und im Gewinnsinne perspektivlosen Stellungen. Übrig blieb ich mit einer schlechten Stellung gegen einen sehr gut vorbereiteten Gegner. Zum Glück konnte ich die Stellung drehen, war aber zu geschockt, um die vorteilhafte Endstellung noch zu verwerten. Also 2 : 2, kein erfreuliches Resultat, aber auch kein Beinbruch.

Mit 5 : 1 Punkten wurden wir in Runde 4 gegen Israel gelost, eine Mannschaft die sicher Ambitionen auf einen Platz unter den ersten Drei hatte, wenn nicht sogar Titelhoffnungen. Israel verzichtete allerdings auf sein starkes 4. Brett, was ich als Chance ansah, eventuell ein 2 : 2 zu schaffen. Der Plan war klar: Günther gewinnt, Manfred Remis und dann musste vorne noch irgendwie ein halber Punkt her gegen zwei sehr starke Gegner.

Manfred remisierte schnell und Günther gewann sicher. Soweit funktionierte also alles. Friedemann neben mir sah sich einem Ansturm seines Gegners, der 2 Bauern opferte, ausgesetzt. Seine Stellung hielt allerdings und er hätte sogar gewinnen können, lief allerdings am Ende in eine Remisschaukel. Damit 2 : 1 für uns, das Unentschieden war geschafft und der Sieg hing an meiner als letzte laufenden Partie. Mein Gegner überraschte mich in der Eröffnung mit einem selten gespielten Zug, sein f-Bauer tauchte nach wenigen Zügen in meiner Rochadestellung auf f6 auf. Allerdings erwies sich die schwarze Stellung doch als recht stabil.

Während ich anfangs sehr viel Zeit verbrauchte, holte mein Gegner nun schnell auf und die Partie glich sich dennoch immer mehr aus. Dann kam die Zeitnot. Im 35. Zug lief ich mit wenigen Sekunden auf der Uhr in ein 4zügiges Matt, mein Gegner mit kaum mehr Zeit verpasste aber die Chance. Danach hatte Schwarz alles im Griff und ich bot im Turmendspiel mit einem Mehrbauern Remis an. Als echter Mannschaftskämpfer lehnte mein Gegner ab, obwohl die weiße Stellung keinerlei Gewinnpotential besaß. Danach verdarb er auch noch das remisliche Turmendspiel zum Verlust, so dass wir 3 : 1 gewannen. Jetzt waren wir natürlich allerbester Laune.

Mit Beginn der 5. Runde verschlechterten sich die Spielbedingungen leider drastisch. Wegen eines Erlasses der tschechischen Regierung musste der schöne große Spielsaal in mehrere kleine geteilt werden. Danach standen die Tische sehr eng und die Luft im Saal war knapp. Die Spielbedingungen waren von da an einer WM unwürdig.

Als Bonus wurden wir in der 5. Runde gegen Czech 1 gelost und ich freute mich schon auf ein Duell mit GM Jansa. Allerdings wollte Jansa nicht spielen, er fühlte sich nicht gut. Das machte Hoffnung auf eine Überraschung, allerdings waren drei relativ schnelle Remisen keine Grundlage dafür. Manfred geriet schnell in Schwierigkeiten und sein Gegner gewann die Partie dann auch sicher. Damit 7 : 3 Punkte und unsere Stimmung war nicht mehr so überschwänglich.

Aber es bestand ja Hoffnung auf einen schwächeren Gegner. Wir erhielten in der 6. Runde Czech 3 als Gegner. Von den Elozahlen her ein machbarer Gegner, aber Czech 3 hatte bis dahin ein sehr starkes Turnier gespielt. Der Kampf begann mit einem Fauxpas meines Gegners in der Eröffnung. Danach kämpfte er noch lange Zeit für eine verlorene Sache. Manfred machte schnell Remis und wir lagen praktisch klar vorne. Mit diesem Rückenwind gewannen auch die beiden anderen Bretter sicher, also ein in der Höhe unerwarteter Sieg von 3,5 : 0,5.

Die nächste Runde brachte uns Hungary als Gegner. Wie waren klarer Außenseiter, allerdings verzichteten die Ungarn auf einen ihrer IM`s. Kurz vor Beginn der Runde wurden alle informiert, dass das Turnier nach dieser Runde wegen der Corona Epidemie abgebrochen wird.

Es galt also, gegen Ungarn nochmal alles raus zu hauen. Brett 3 und 4 remisierten schnell. Friedemann aber setzte mit Weiß seinen IM von Anfang an stark unter Druck und spielte eine tolle Partie, die er sicher gewann. Also wieder 2 : 1 für uns und meine Partie lief wie üblich noch. Ich hatte in der Eröffnung gegen den GM schwer gepatzt und ihm praktisch einen Bauern ohne Kompensation vorgegeben. Keine guten Aussichten für die Partie. Zunächst spielte er sehr stark weiter. Nach seinem 17. Zug dachte ich, dass er mich nun endgültig ausgespielt hat. Allerdings war die von ihm angestrebte Endstellung der Abwicklung weitaus besser für mich als er das ahnte. Plötzlich war Schwarz trotz Minusbauer und kaum Figuren auf dem Brett voll im Spiel und diesmal verlor ich die Kontrolle nicht wieder. Damit endete der Kampf 2,5 : 1,5 für uns und wir waren mindesten auf dem 4. Platz.

Falls Germany 1 nicht gegen Sweden 1 gewinnen sollte, würde es wegen der besseren Brettpunkte sogar zu Platz 3 reichen. So kam es dann auch und eine Leipziger Mannschaft belegte völlig überraschend den 3. Platz bei einer Seniorenmannschafts-WM Ü65.

Weltmeister wurde die favorisierte Mannschaft von Russland knapp vor Frankreich, beide haben einen Punkt mehr als wir.

Frauenweltmeister Ü65 wurde die deutsche Frauenmannschaft, dazu herzlichen Glückwunsch.